Rafael Laguna, der Vorstand von Open-Xchange, spricht im „Interview der Woche“ über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Collaboration-Software Open-Xchange und das Unternehmen.
Seit Januar 2008 leitet Laguna als Vorstand die Open-Xchange AG, die er 2005 mitbegründete. Open-Xchange ist einer der Pioniere im Bereiche Software-as-a-Service. In 2011 konnte Open-Xchange die Zahl der Anwender um 75 Prozent auf über 42 Millionen steigern. In Deutschland wird die Software von Open-Xchange u.a. von den drei größten Hostinganbietern, 1&1 Internet, STRATO und Host Europe angeboten.
Was steckt hinter Open-Xchange und was macht Ihre Firma so erfolgreich?
Wir entwickeln schon seit über einem Jahrzehnt Linux-basierte Collaboration-Software, die anfänglich natürlich nur für Inhouse-Installationen geeignet war. 2006 haben wir erkannt, dass Software künftig mehr und mehr über das Internet genutzt werden wird. Im Jahr 2006 haben wir dann den nächsten Release von Open-Xchange, Version 6, vom Grund auf für SaaS/Provider-Deployments neu entwickelt, denn die technischen Anforderungen sind schon sehr unterschiedlich im Vergleich zu klassischen Inhouse-Installationen.
Mit 1&1 Internet konnten wir 2007 den weltweit größten Hosting-Anbieter als Partner gewinnen. Diesem Beispiel sind große Hoster wie STRATO, Host Europe ebenso wie kleinere Anbieter wie Hostpoint oder Internet24 gefolgt und bieten die Software von Open-Xchange als Service an. Heute sind wir Weltmarktführer für Webmail und Groupware im SaaS-Umfeld, da wir jetzt, wo der Markt explodiert, das passende und erprobte Produkt haben.
Wie kamen Sie auf die Idee, eine derart umfangreiche Groupware zu entwickeln, was war der gedankliche Ursprung?
Am Anfang stand der Anspruch, eine offene, browser-basierte und dem Internetzeitalter gerecht werdende Alternative zu Microsoft Exchange zu liefern. Dies definierte den Funktionsumfang der Groupware. Heute sind wir – zum Glück – weiter. Die Verfügbarkeit des Internets sowie die Verbreitung von Smartphones und Tablet-PCs ändert die Nutzung von Software dramatisch. Wir liefern eine Collaboration-Software, die soziale Netzwerke wie XING und LinkedIn integriert und auf dem Desktop ebenso funktioniert wie auf mobilen Endgeräten.
Warum sollte jeder Open-Xchange nutzen? Was kann es, was andere nicht können?
Open-Xchange kann, was alle Collaboration-Lösungen können: E-Mail, Kalender, Adressen und Aufgaben. Darüber hinaus bieten wir noch eine integrierte Dokumentenverwaltung und die Möglichkeit, Adressen aus sozialen Netzwerken und E-Mails von anderen Accounts innerhalb von Open-Xchange zu nutzen. CIOs mögen uns, weil unser Server-Backend sparsam mit der Hardware umgeht. Administratoren lieben uns, weil sie bei ihren Anwendern keinen „Fat Client“ pflegen müssen, da der Open-Xchange Web-Client auf allen Geräten einfach im Browser läuft.
Was unternehmen Sie, um Open-Xchange noch bekannter zu machen?
Wir sind überzeugt, dass ein gutes Produkt unser bester Verkäufer ist. Aktuell nutzen über 50 Millionen Anwender bei unseren Partnern Open-Xchange. Viele bekommen erst einmal die Webmail-Funktion von ihrem Hosting-Provider zusammen mit einem Hosting-Paket zur Verfügung gestellt und buchen dann nach einer „Schnupperphase“ Groupware- und Mobility-Funktionen dazu. Dieses „Freemium“-Modell, bei dem die Nutzer die Basis-Funktionen kostenlos bekommen und dann für die Premium-Funktionen bezahlen, ist im Internet weit verbreitet und bei den Kunden voll akzeptiert.
Welche Chancen sehen Sie für Open-Xchange, sich weiter am Markt zu etablieren?
Viele der Hosting-Anbieter haben schon erkannt, dass sie eigene SaaS-Angebote haben müssen, um nicht von Google, Apple, Amazon und Microsoft aus dem Markt gedrängt zu werden, die ihnen ja allesamt mit eigenen Cloud-Angeboten die Kunden abwerben wollen. Entsprechend haben wir hier schon eine sehr hohe Verbreitung. Derzeit wachen auch die Telcos und Mobile Carrier auf und erkennen beispielsweise, dass sie mit jedem verkauften iPhone ihre Kunden auf lange Sicht an Apple „übergeben“. Mit Open-Xchange können unsere SaaS-Partner eigene, gebrandete Services anbieten mit denen sie die Kunden halten. Unsere Partner können zusätzliche Services verkaufen und neue Märkte erschließen – ohne das sie Angst haben müssen, direkte Konkurrenz von uns zu bekommen, da wir ausschließlich über Partner verkaufen.
Was sind Ihre Zukunftspläne? Auf welche weiteren Produkte oder Updates können wir uns freuen?
Gegen Ende diesen Jahres werden wir eine neue Produktgeneration veröffentlichen, die auf dem vorhandenen Server-Backend aufbaut und gleichzeitig den Endanwendern ein modernes und richtig cooles Frontend liefert. Die Anwender werden begeistert sein – und unsere SaaS-Partner werden uns lieben, weil sie ohne großen Aufwand mit der vorhandenen Installation auf die neue Produktgeneration wechseln können. Schließlich reden wir bei Partnern wie 1&1 und STRATO von mehreren Millionen E-Mail-Accounts, die diese auf ihren Systemen haben. Und E-Mail muss auch bei einem Update unterbrechungsfrei für die Kunden verfügbar sein. Diese neue Generation wird auch einen Web-Desktop enthalten, der es unseren Kunden und Anwendern einfach macht, weitere SaaS- und Web-Applikationen zu integrieren und so gleich den gesamten Desktop in die Wolke zu legen.
Welche Risiken und Herausforderungen gilt es in der Zukunft zu meistern?
Das größte Risiko besteht in der Tat für uns darin, dass wir über unsere eigenen Füße stolpern. Spaß beiseite: Wir konnten im letzten Jahr die Zahl der Anwender von 24 auf 40 Millionen steigern, und sind auf einem guten Weg, dass wir bis zum Jahresende 2012 auf bis zu 80 Millionen Nutzer kommen. Aber natürlich haben wir kontinuierlich die Herausforderung, dass wir mit 80 Mitarbeitern Produkte machen müssen, die die Anwender begeistern und mit denen sich unsere Partner erfolgreich gegen Google, Facebook und Apple behaupten können.
Wie bewerten Sie den Standort Deutschland, wenn es um die Gegenwart und Zukunft von SaaS-Angeboten bzw. -Anbietern geht?
Es gilt ja das IT-Gesetz, dass alle wesentlichen IT-Trends aus den USA kommen und sich mit einer gewissen Verzögerung dann auch bei uns durchsetzen. Zusammen mit den Marktauguren gehe ich davon aus, dass dies auch für SaaS zutrifft. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in den kommenden drei Jahren einen gewaltigen Schub bei der Nachfrage nach SaaS-Angeboten sehen werden. Eine Reihe von SaaS-Anbietern hat bereits erkannt, dass Anwender am liebsten all ihre Applikationen aus einer Hand beziehen wollen. Fujitsu, Telekom und 1&1 haben ja mit ihren „Application Stores“ bereits erste Angebote auf den Markt gebracht. Und langfristig haben diese „One-Stop-Shops“ sicherlich Vorteile gegenüber Anbietern, die nur eine oder wenige Insel-Lösungen anbieten. Die Herausforderung für die Softwarehersteller und SaaS-Provider wird darin bestehen, den Anwendern „integrierte“ Lösungen anzubieten.
Andererseits ist Lokalität ein großer Vorteil in der Cloud. Zwar verstehen viele Anwender die Vorteile von Cloud Lösungen, aber gleichzeitig besteht eine große Unsicherheit über die Sicherheit der Daten und die neuen Risiken, die durch die globalen Anbieter in Sachen Datenschutz entstehen – und das zu Recht! Lokale Anbieter können mit ihren Angeboten diesen Bedenken sichere Lösungen entgegenstellen und haben somit einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber den globalen „Over the Top“-Anbietern wie Google und Microsoft.
Wenn Sie für Ihr Unternehmen einen Wunsch frei hätten, dann …
… würde ich alle unsere Entwickler klonen. Alternativ wünsche ich mir, dass morgen früh zehn enthusiastische Nerds mit Erfahrung mit Java und Javascript vor unserer Tür stehen, die unbedingt bei Open-Xchange mitentwickeln wollen. Und wenn die Fee dann noch zuhört, würde ich Softwarepatente noch schnell abschaffen, denn sie sind einer der größten Innovationshemmer.
Herzlichen Dank an Rafael Laguna für dieses Interview. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg beim Erreichen der angepeilten Ziele und verfolgen die weitere Entwicklung von Open-Xchange mit großem Interesse.